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PVS Einblick

21 Tobias Wiedemann studierte Rechtswissenschaft in Bonn und verbrachte sein Referendariat in einer über- regionalen Sozietät für Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkten im Gesundheits- und Krankenhausrecht. In der Folgezeit absolvierte er erfolgreich den Fachanwaltslehrgang im Medizinrecht und begann seineTätigkeit in einer Kölner Kanzlei für Versicherungs- recht mit der Beratung und Vertretung von Leistungserbringern in Arzthaftungsprozes- sen. Jetzt unterstützt er die Rechtsabteilung der PVS holding GmbH. Autor Serie § Ehe verpflichtet! Auch zur Zahlung der Arztrechnung des Ehegatten? Hierausschneiden Im familienrechtlichen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zur „Wirkung der Ehe im Allgemeinen“ findet sich in § 1357 eine bemer- kenswerte Regelung. Jeder Ehegatte ist danach berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebens- bedarfs der Familie zu besorgen, dies mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten. Die Möglichkeit des einen Ehegatten, den anderen zu berech- tigen und zu verpflichten (!) wird als Schlüsselgewalt bezeichnet. Der medizinische Leistungserbringer kann demnach ggfs. beide Ehegatten auf Zahlung in Anspruch nehmen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Ehegatten nicht getrennt leben, § 1357 Abs. 3 BGB. Für eine (Mit-) Verpflichtung des Ehegatten muss ein gemeinschaftliches Hauswesen vorliegen. Dies ist in aller Regel der gemeinsame Wohnort der Ehegatten, sprich eine gemeinsame Wohnung oder Haus. Die erbrachte und in Rechnung zu stellende Leistung muss ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie dar- stellen. Bei medizinisch gebotener unaufschiebbarer Heilbehandlung ist das regelmäßig der Fall und auch die Angemessenheit ist gewahrt, da es sich hierbei um die Erhaltung der Gesundheit handelt und diese als primärer und ursprünglicher Lebensbedarf bezeichnet werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 27.11.1991, Az. XII ZR 226/90). So hat dann auch der Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil v. 28.04.2005, Az.III ZR 351/04) zu der Frage, ob die stationäre Behandlung eines gemeinsamen Kindes auch solch ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfes der Familie sein kann, zeitgemäß ausgeführt: „Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. (…). Vielmehr ist mit Rücksicht darauf, dass die Aufgabenverteilung in der ehelichen Gemeinschaft den Partnern selbst überlassen und das Leitbild der sogenannten Hausfrau- enehe aufgegeben worden ist, die Rechtsmacht zur Verpflichtung auch des Partners an die „angemessene Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ gebunden worden. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, wie weit der Lebens- bedarf der Familie reiche, bestimme sich familienindividuell nach den Verhältnissen der Ehegatten. Da die Einkommens- und Vermögensverhält- nisse dem Vertragspartner allerdings häufig verborgen bleiben, ist ent- scheidend auf den Lebenszuschnitt der Familie abzustellen, wie er nach außen in Erscheinung tritt. (…) Zu den Umständen, die bei der Anwendung des § 1357 BGB von Bedeutung sein können, gehören daher auch die wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrem Bezug zu den Kosten, die durch die jeweils in Rede stehende Geschäfts- besorgung ausgelöst werden. Auch insoweit ist die Sicht eines objektiven Beobachters nach dem Erscheinungs- bild der Ehegatten, wie es für Dritte allgemein offenliegt, entscheidend.“ Letztlich bejaht der Bundesgerichts- hof die aufgeworfen Frage im Grunde in der zitierten Entscheidung. Als Korrektiv stellt er jedoch darauf ab, ob die Kosten der ärztlichen Heilbehandlung noch im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Familie stehen. Dies sei je nach Einzelfall und den konkreten tatsäch- lichen Begebenheiten aus objektiver Sicht eines Außenstehenden zu beurteilen. Feste Richtwerte gibt der BGH insoweit nicht vor. So kann sich schließlich eine Einstandspflicht für den anderen Ehegatten ergeben. Dies gilt freilich auch, wenn sich die Ehegatten vorher nicht miteinander abgestimmt bzw. geeinigt haben und dem Vertragspartner diese Umstände nicht bekannt sind. Exkurs: Der Begriff „Schlüsselgewalt“ ist allerdings keine Wortschöpfung des Familienrechts der Neuzeit. Bereits im Mittelalter war die Schlüssel- gewalt eine bekannte Begrifflich- keit. Seinerzeit trugen verheiratete Frauen einen Schlüssel(bund) als sichtbares Zeichen mit sich. Hiermit brachten sie zum Ausdruck bestimm- te Rechtsgeschäfte verpflichtender Natur ohne den Ehemann, unter des- sen Vormundschaft sie grundsätzlich standen, schließen zu dürfen.

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