Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

PVS Einblick

27 Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek hat ihren Hauptsitz im Grünen Schloss von Weimar, das Herzog Johann Wilhelm zwischen 1562 und 1565 inmitten einer Parkanlage als fürst- liches Wohngebäude errichtet hat. Herzogin Anna Amalia ließ das Schloss zwischen 1761 und 1766 zur Biblio- thek ausbauen. Das Zentrum bildet der im ersten Stockwerk eingerichtete Rokokosaal, der 1766 fertiggestellt wurde. Die glanzvollste Periode der Bibliotheksgeschichte wurde von Jo- hann Wolfgang von Goethe bestimmt, der 35 Jahre lang auch der oberste Bibliothekar Weimars war. Aus dieser Sammlung haben Wieland, Herder und Schiller Bücher entliehen, sodass die Bibliothek das geistige Reservoir der Weimarer Autoren bildet. Die meisten der von ihnen persönlich genutzten Bände sind heute noch vorhanden. Der Schwerpunkt dieser öffentlich zugänglichen Forschungsbibliothek für Literatur- und Kulturgeschich- te liegt im Bereich der deutschen Literatur um 1800. Insgesamt be- wahrt sie literarische Zeugnisse vom 9. bis zum 21. Jahrhundert als Quellen der Kulturgeschichte und der For- schung auf, erschließt sie nach forma- len und inhaltlichen Gesichtspunkten und stellt sie zur Benutzung bereit. Eine Million Einheiten gehören zum Bibliotheksbestand. Da die Sammlungen aus dem Zeitraum 1750 bis 1850 besonders dicht sind, bildet die Epoche von der Aufklärung bis zur Spätroman- tik den Arbeitsschwerpunkt. Die Bibliothek hat einen breiten Kundenkreis, zu dem Geistes- und Kulturwissenschaftler aus dem In- und Ausland gehören, aber auch Schüler und Studenten aus der Stadt und der Region. Ein verheerender Brand hatte das Haus am 2. September 2004 stark getrof- fen und die oberen Stockwerke des Grünen Schlosses vollständig zerstört. Insgesamt waren etwa 120.000 Bände vom Brand betroffen, davon 112.000 vernichtet oder beschädigt. Restaurie- rung und Wiederbeschaffung werden noch Jahre in Anspruch nehmen. Eine Lücke aber ist seit Kurzem in wesentlichen Teilen geschlossen: Die Bücher Schweizer Herkunft. 4.200 Hel- vetica wurden vom Brand beschädigt. Über die Hälfte davon konnte gerettet werden und steht nun fertig restauriert in der Bibliothek wieder zur Verfügung. Finanziert wurde die Restaurierung von über 20 Schweizer Unternehmen, Stif- tungen und privaten Gönnern, die sich 2008 im Projekt Pro Helvetica in Wei- mar zusammengeschlossen hatten. Ein weiterer Teil der Beiträge kam von der Schweizer Regierung und den dortigen Lotteriefonds verschiedener Kantone. Ausgeführt wurden die Wiederher- stellungsarbeiten in drei Schweizer Ateliers. So konnte ein zusammen- hängender Bestand der Weimarer Bibliothek wieder aufgebaut werden, darunter Bände aus dem 16. bis 18. Jahrhundert mit Werken von Gessner, Zwingli, Bodmer, Calvin, Erasmus und Paracelsus. Teilweise enthalten die Helvetica Randnotizen renommierter deutscher Dichter, wie Goethe, Schiller oder Wieland. Wie aus den Unterlagen der Bibliothek hervorgeht, wurden die Schweizer Buchbestände bereits zu Goethes Zeiten intensiv genutzt. Auch die Sanierung des Bibliotheks- gebäudes selbst erforderte mehrere Jahre. Am 24. Oktober 2007, dem Geburtstag der Namenspatronin in ihrem 200. Todesjahr, wurde das his- torische Gebäude der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wiedereröffnet. Auf der verbrannten zweiten Galerie des Rokokosaals befindet sich heute ein Sonderlesesaal, in dem Handschriften, Inkunabeln, Musikalien, Landkarten und Globen zu studieren sind. Zugleich wurde das verbrannte Deckengemälde von Johann Heinrich Meyer „Genius des Ruhms“ nach Annibale Carracci als Kopie direkt auf die Decke gemalt. Dadurch ist das Raumerlebnis für den Besucher, wenn er von der Haupt- ebene des Rokokosaales in die Höhe blickt, nahezu das gleiche wie früher. Heute präsentieren sich die Regale wieder in dem hellen Blauton, den Anna Amalia 1766 hatte auftragen lassen. Im Gebäude befindet sich auch die Buchrestaurierung und die für die ältesten und wertvollsten Bestände der Herzogin Anna Amalia Biblio- thek zuständige Abteilung Sonder- sammlungen, ebenso zwei Räume zur Geschichte der Bibliothek und der Renaissancesaal im Erdgeschoss. Die Brandkatastrophe löste eine einzigartige Welle der Solidari- tät im In- und Ausland aus. Fast 21 Millionen Euro von 22.000 Spendern – Privat- personen, Stiftungen und Firmen – gingen für die Sa- nierung des Schlosses sowie Restaurierung und Wieder- beschaffung von Büchern ein. Die größte Einzelspende in Höhe von fünf Millionen Euro kam von der Vodafone Stiftung Deutschland. Die Finanzierung des Wiederaufbaus übernahmen der Bund und der Frei- staat Thüringen zu je gleichen Teilen sowie die Allianz Kulturstiftung mit einem Betrag von 1,38 Millionen Euro. Autorin Dr. Christine Winkler, Pressereferentin der PVS holding „Was immer wir verstehen wollen, erscheint uns „wie ein Buch mit sieben Siegeln“, das wir zu lesen oder zu entziffern versuchen. Vieles davon ist einmalig. Das gilt für die Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die zum nationalen Kulturerbe gehört, in besonderem Maße.“

Seitenübersicht