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PVS Einblick

Autor § Serie hinreichender Selbstbestimmungsfä- higkeit ist allerdings namentlich bei minderjährigen Patienten schwierig. Daher bedarf der ärztliche Hei- leingriff bei einem minderjährigen Kind grundsätzlich der Zustimmung beider sorgeberechtigter Eltern. Was aber tun, wenn nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt erscheint und daher auch nur ein Elternteil dem Arzt gegenüber seine Zustimmung erklärt? Darf der Arzt dann ohne weiteres darauf vertrauen, dass der andere sorgeberechtigte Elternteil ebenfalls in den Eingriff einwilligt? Der Bundesgerichtshof hat in einem etwas älteren aber nach wie vor maßgeblichen Urteil (BGH, Urteil v. 28.06.1988, Az. VI ZR 288/87) für solche Situationen ein dreistufiges Modell entwickelt. Auf dieses hatte sich jüngst auch das Oberlandesge- richt Hamm (OLG Hamm, Urteil v. 29.09.2015, Az. 26 U 1/15) bei seiner Urteilsbegründung gestützt. Die Rechtsprechung setzt das vom Arzt erforderliche Handeln im Rahmen der elterlichen Einwilligung in Relation zu der Intensität des Eingriffes: Leichte Eingriffe Bei Routinefällen des Alltags, zum Beispiel bei einem Blaseninfekt, unproblematischen Medikamen- tengaben oder Impfungen, darf der Arzt auch ohne Rückfrage darauf vertrauen, dass der mit dem Kind erschienene Elternteil bevollmäch- tigt ist, für den anderen Elternteil in die Behandlung einzuwilligen. Mittlere Eingriffe Sobald ein Eingriff ein ausführliche- res Aufklärungsgespräch voraus- setzt, z.B. vor einer CO2 -Laservapori- sation von Kondylomen, muss sich der Arzt bei dem anwesenden Elternteil erkundigen, ob er berechtigt ist, auch für den Abwesenden zu handeln. Der Arzt hat hier also eine Fragepflicht. Deshalb ist er aus haftungsrechtli- chen Gründen gut beraten, die ihm erteilte Auskunft bezüglich des Einverständnisses des nicht erschie- nenen Elternteils zu dokumentieren. Schwere Eingriffe Bei schweren und risikoreichen Eingriffen, zum Beispiel im Bereich der Wirbelsäule, muss sich der Arzt schließlich Gewissheit über die Zustimmung des nicht erschienenen Elternteils verschaffen, das heißt, er muss entweder darauf beste- hen, dass sich beide Elternteile gemeinsam vorstellen oder sich von dem nicht anwesenden Elternteil (zumindest telefonisch) bestätigen lassen, dass er den anderen ent- sprechend ermächtigt hat. Auch das sollte aus forensischen Gründen unbedingt dokumentiert werden. Die zuvor erwähnte Entscheidung des OLG Hamm zugunsten der behan- delnden Ärzte ist noch nicht rechts- kräftig und befindet sich derzeit in der Revisionsinstanz beim BGH. Im vorliegenden Fall wurde ausdrück- lich nur von der Mutter des Kindes schriftlich in die Biopsie und damit einhergehende Anästhesie des Kindes eingewilligt. Es kam dann im Rahmen der durchgeführten Operation zu Schwierigkeiten bei der Intubation und Beatmung des Kindes. Ärztliche Behandlungsfehler konnten durch das erkennende Gericht rückblickend nicht festgestellt werden. Letztlich musste sich das Gericht mit der Frage auseinandersetzen, ob wirksam in den Eingriff eingewilligt worden war. Die Richter entschieden, dass die Biopsie als leichter bis mittelgradiger Eingriff mit normalen Anästhesierisiken zu bewerten gewesen ist. Der Arzt hatte sich vor dem Eingriff persönlich bei der Mutter nach der Einwilligung des Vaters erkundigt, was die Richter insoweit als ausreichend ansahen. Ihr Urteil begründeten sie auch anhand der oben genannten drei Stufen und dortigen Anforderungen. Ob der Bundesgerichtshof das Urteil bestä- tigen wird, bleibt nun abzuwarten. Wir werden Sie selbstverständlich auf geeignetem Wege über den weiteren Ausgang des Verfahrens in- formieren. Sollte die Rechtsprechung wider Erwarten von dem dreistufigen Modell Abstand nehmen, werden wir Sie hierauf gesondert hinweisen. ∑ Kontakt: RA Tobias Wiedemann Tel. 0208 4847-167 twiedemann@ihre-pvs.de 23 „Je größer das mit dem Eingriff verbundene Risiko für den minderjäh- rigen Patienten, desto weitreichender gestaltet sich die Pflicht des Arz- tes die Einwilligung beider sorgeberechtigter Elternteile einzuholen. Bei schweren Eingriffen reicht allein ein Nachfragen bei dem anwesenden Elternteil nicht aus. Wir empfehlen die erteilte Einwilligung aus haftungs- rechtlicher Sicht unbedingt hinreichend zu dokumentieren.“ Tobias Wiedemann, Rechtsanwalt der PVS holding Tel. 02084847-167

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