Boshaftigkeit, wenn das nicht in dem Ma- ße geschieht, wie es wünschenswert wäre, sondern weil es eben kein trivialer Prozess ist. Das funktioniert ja teilweise noch nicht mal bei Steuererklärungen oder bei den Polizeibehörden. Wer es geschafft hat, der wird als Leuchtturmprojekt gelobt – aber die Realität ist eben eine andere. Nennen Sie doch bitte ein Beispiel dafür. Nur ein kleines Beispiel: Da müssen zu- nächst die Karteikarten auf Papier in PDFs umgewandelt werden. Dann wieder braucht es eine Soft ware, um die PDFs lesen zu können. Aber dann hat man ja immer noch keine digitalen Daten. Die entstehen erst dann, wenn die Abrechnungspositio- nen und Informationen ausgelesen werden – und das passiert wiederum händisch. Al- so ein sehr langer Prozess allein für einen sehr kleinen Bereich. Wie bewerten Sie die Notwendigkeit zen- tral gespeicherter Patientendaten, auf die sowohl die Hausärzte als auch alle behan- delnden Fachärzte zugreifen können – ggf. sogar auch Klinikärzte, wenn Patient*innen als Notfall ins Klinikum eingeliefert werden? Auch das ist wünschenswert, braucht aber eben nicht nur die Faktoren Zeit und Geld, sondern man muss sich überlegen, was dieses Wissen verursacht. Welche Erwar- tungen werden hier an einen Th erapeu- ten gestellt, der auf die komplette Kran- kengeschichte mit allen nur möglichen Informationen Zugriff hat? Was verlangt man den Th erapeuten ab? Welche rechtli- chen Folgen hat das für den Th erapeuten, wenn 50 Jahre Krankengeschichte vor ihm liegen, mit Hinweisen auf Medikamente oder Unverträglichkeiten? Da müsste sich der Th erapeut ja mit dem entsprechenden Zeitaufwand mit allen Behandlungsak- ten auseinandersetzen, gegebenenfalls mit anderen Fachärzten Rücksprache halten. Aber wie viel Verantwortung obliegt hier den Th erapeuten, und wie viel Zeit würde das in Anspruch nehmen? So schön diese Daten sind – aber Behandlung muss im- mer noch möglich sein. Ich möchte hier nicht als Zukunft sverweigerer dastehen, weise aber auf die Verantwortung und die Folgen hin, die damit verbunden sind – praktisch auf die Risiken und Nebenwir- kungen. Nun gelten Länder wie Estland, Israel, Kanada oder Dänemark als Vorreiter beim Th ema Digitalisierung. Können wir von denen lernen? Je kleiner das Land ist, je mehr EU-För- dermittel es bekommt und je mehr es sich auf bestimmte Nischen konzentriert, um- so digitaler ist es. Aber nehmen wir Est- land mit etwa 1,3 Millionen Einwohnern – das entspricht bei uns der Dimension einer Großstadt. Also allein ein Klinikum in Eppendorf würde reichen, um halb Est- land zu versorgen. Deshalb hinkt der Ver- gleich. Aber dennoch muss man einräu- men, dass wir in Deutschland im Bereich der Digitalisierung nicht sonderlich gut sind und noch Nachholbedarf haben. Inwiefern macht es Ihrer Meinung nach Sinn, dass Medikationspläne elektronisch an die Apotheken übermittelt werden - verbunden mit einem denkenden System, das die Plausi- bilität der Dosis und Wechselwirkungen über- prüft und gegebenenfalls Warnhinweise gibt? Das fi nde ich gut! Denn ich glaube, dass durch eine Künstliche Intelligenz gerade bei Patienten, die multimorbide sind und verschiedene Tabletten einnehmen, Nebenwirkungen verringert werden kön- nen. Aber auch hier gilt, dass wir uns nicht von einer digitalen Lösung abhängig ma- chen dürfen. Denn würde ein solches Sys- tem ausfallen, könnte das fatale Folgen haben. Deshalb würde ich mich dafür aus- sprechen, es als unterstützendes Instru- ment zu nutzen. Es muss immer noch eine Kontrollmöglichkeit geben. Stichwort Künstliche Intelligenz: Welchen Stellenwert hat künstliche Behandlungsintel- ligenz für Sie? Kann sie Ärzte ergänzen bzw. sogar ersetzen? Und sollte der Einsatz von Pfl egerobotern, Health Apps und Online- sprechstunden vorangetrieben werden? Ich glaube nicht, dass Medizinroboter die Untersuchung und die Gespräche mit einem Arzt ersetzen können. Dafür gibt es zu viele Parameter bei einer Patienten- behandlung, für die es mehr als eine reine Abfrage braucht. Es braucht vielmehr drin- gend auch Empathie, dieses menschliche Gespür des Arztes für seinen Patienten, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Alles Aspekte, die ein guter Arzt mitbringt, aber was bei einer rein faktenbasierten Me- dizin ausbleibt. Als sehr gute Ergänzung funktioniert hier die Künstliche Intelli- genz, als Ersatz nicht. Am Ende muss ein Arzt bewerten und entscheiden. Das Fraunhofer-Innovationszentrum für Logistik und IT hat in einer Zukunft sstu- die untersucht, wie es in Kliniken im Jahr 2037 aussehen könnte: In ihrer Vision dru- cken Bioprinter Herzklappen und Handkno- chen, ein Serviceroboter bringt den Patien- ten Wasserfl aschen und informiert über die anstehende Schilddrüsenoperation. Die Kli- niken in Deutschland sind vernetzt, Ärzte können auf alle Datensätze zugreifen und einen Fall mit ähnlichen Fällen vergleichen. Ist das auch Ihr Traum? Und braucht es in Zukunft noch menschliches Personal? Das Drucken von biologischen Materialien durch 3D-Drucker, die Entwicklung der Medizintechnologie – all das sind für mich echte Entwicklungen und Innovationen, die sinnstift end sind, die die Fehlerhäufi g- keit vermindern, die vielleicht auch für eine Stabilität und individuelle Verbesserung der Produkte sorgen. Und dahin wird und soll die Medizin auch gehen. Das gilt auch für den Einsatz von Operationsrobotern, die eine ganze andere Präzision erreichen. Aber auch hier gilt, dass sie nicht alleine operieren dürfen, sondern dass es immer einen Arzt geben muss, der ihn lenkt und leitet. Schließlich ist jeder Mensch indivi- duell und kein Werkstück, bei dem man einfach eine Frästiefe eingeben kann. Der Mensch soll die Maschine nutzen und sie sinnvoll einsetzen, aber er darf der Ma- schine nicht untergeordnet sein. Das beste • Backup ist immer noch der Mensch. Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe von Interviews mit deutschen Gesundheits- politikern für den FOCUS Online und die Rheinische Post mit der Hamburger Agentur Nawrocki PR & Communication GmbH & Co. KG, der DAK und dem BVVG. rp-online.de/advertorial/nawrocki-pr/ serie-der-gesundheits-check-20- digitalisierung-achtung-vor-risiken_ aid-53022477 PVS einblick 41