Nach einem Nervenzusammenbruch weist sich Benjamin Maack in eine Psychiatrie ein und erhält dort die Diagnose: Depression. Später folgen zwei weitere Aufenthalte, ver- schiedene Medikamente, Nebenwirkungen, auch Suizid- gedanken. In seinem Bestseller „Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein“ gewährt der Autor und Journalist einen schonungslosen Einblick in die Erlebenswelt eines schwer Depressiven. Gleichzeitig erzählt Maack auch ein Familiendrama und ringt der Krankheit gar tragikomische Momente ab – in wortstarken, berührenden Bildern. »Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein“ – ein persönli- ches Mantra oder gar eine Äuße- rung aus dem Bekanntenkreis? Benjamin Maack: Glücklicherweise habe ich das noch nie von jemand anderem hören müssen. Während meiner drei Kli- nikaufenthalte habe ich aber Patienten kennengelernt, die diesen Satz durchaus kennen – was ich schrecklich finde. Eine Depression ist kein Beinbruch, der einge- gipst wird und irgendwann wieder ganz ist. Eine Depression ist vielmehr uferlos. Man weiß weder, wann sie anfängt, noch wann sie wieder abebbt. Daher sagt man sich oft selbst: „Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein.“ Oder: „Stell dich nicht so an! Du kannst nicht immer die »Depressiven-Karte« spielen.“ Manche Kapitel des Buches bestehen nur aus Satzfragmenten, einzelnen Worten oder der immer wiederkehrenden Frage „Herr Maack, wie geht es Ihnen?“ ... Diese Frage wird ja auch im Alltag häufig gestellt: „Wie geht es Dir?“ – „Gut.“. Eine Floskel, auf die mit einer Floskel geant- wortet wird. Man bleibt dabei aber an der Oberfläche. Das ist eine unausgesprochene Verabredung in unserer Gesellschaft. Im Krankenhaus reicht das nicht aus, da muss man genauer über den eigenen Ge- mütszustand nachdenken. Oft war es so, dass es in meinen depressiven Phasen schlimmer wurde, je genauer ich versucht habe, herauszufinden, wie es mir geht. Sie schreiben: „Depressionen sind ge- schickt. Ist man gesund, kann man sich nicht mehr daran erinnern, wie es war, krank zu sein.“ Besteht die Gefahr, dass man sich in einer Art Sicherheit wiegen kann? Bei meinem ersten Krankenhausaufent- halt habe ich das tatsächlich geglaubt. Da sah ich Menschen, die schon mehrfach dort waren, und dachte: „Das passiert dir jetzt aber nicht! Dafür geht es dir zu gut.“ Ich hatte dann einen sehr schweren Un- fall – bei der Volleyballtherapie. Ich schlug mir den Kopf an einer Backsteinwand in der Turnhalle auf, erlitt einen Schädelba- sisbruch und wurde ins künstliche Koma versetzt. Danach hat tatsächlich erst mal der Körper wieder übernommen, die De- pression schien fort zu sein und ich ließ irgendwann sogar die Medikamente weg. Ein halbes Jahr später war ich dann wieder in der Klinik. Wie ist es heute? Mittlerweile ist es so, dass ich versuche, damit zu leben. Ich sage mir: „Wenn es kommt, dann kommt es.“ Dann schaue ich, was ich währenddessen dagegen tun kann. Und wenn ich nichts dagegen tun kann, dann gehe ich ins Krankenhaus. Nach meinem dritten Aufenthalt im ver- gangenen Herbst habe ich mir am nächs- ten Tag noch Rezepte für Medikamente besorgt und saß am übernächsten Tag wieder auf der Arbeit. Eine Übergangslo- sigkeit zu schaffen, von dem Zustand, in dem man eben nicht mehr kann, zu je- nem, in dem man wieder sicher ist – ich glaube, das ist eine gute Lösung für mich. Im Zuge der Covid-19-Pandemie waren alle Menschen verstärkt auf sich zurückgewor- fen bzw. verbrachten sie mehr Zeit mit der Familie. Wie erlebt man solch eine Phase mit einer Depression? Da kann ich natürlich nur für mich spre- chen. Zu Beginn habe ich es sehr stark ver- misst, für mich sein zu können. Das war ja auch für Menschen, die nicht unter die- Benjamin Maack: Wenn das noch geht, kann es nicht so schlimm sein Suhrkamp Nova, 333 Seiten, 18,00 € ser Erkrankung leiden, eine völlig neue Si- tuation. Jeder musste für sich lernen, das Leben in kürzester Zeit neu zu strukturie- ren. Irgendwann habe ich mir aber gesagt: „Das muss man nicht sofort können, das muss man üben.“ Mittlerweile funktio- niert es ganz gut. Apropos Familie: Das Aufsuchen einer Kli- nik, so schreiben Sie im Buch, geschah nicht nur zur Selbsthilfe, sondern auch, weil Sie sich „Friederike und Theo nicht mehr an- tun“ wollten ... Das sind diese Gedankenspiralen, diese Feedback-Schleifen, die immer abwärts führen. Ins Düstere und Selbstkritische. Ich glaube aber, dass es hilfreich sein kann, lieber ins Krankenhaus zu gehen, als stän- dig da zu sein, während man kaum noch funktioniert. In dieser Zeit, in der man sich aus dem Bett schleppt und kaum an- wesend ist, weil man so sehr im eigenen Kopf gefangen ist. Indem ich in die Klinik gegangen bin, gelang es mir, das Reflektie- ren darüber, wie einen die anderen mögli- cherweise gerade sehen, zu beenden. Und m o c . e b o d a . k c o t s - S m r o J © PVS einblick 35 : o t o F